Der DGB-Index Gute Arbeit untersucht in einer jährlichen, repräsentativen Studie, wie es um die Arbeitsqualität der deutschen Beschäftigten steht.
Hat die Arbeit eine hohe Qualität (80 – 100 Punkte) spricht der Index von guter Arbeit, bei minderer Qualität (0 – 50 Punkte) von schlechter Arbeit. Das Mittelfeld des Indexes teilt sich in das untere (50 – 65 Punkte) und das obere (65 – 80 Punkte) auf.
Gebildet wird der Index mit den bedingungsbezogenen Antworten auf insgesamt 42 Fragen, die sich in 11 Kategorien aufteilen:
- Gestaltungsmöglichkeiten
- Entwicklungsmöglichkeiten
- Betriebskultur
- Sinn der Arbeit
- Arbeitszeitlage
- Emotionale Anforderungen
- Körperliche Anforderungen
- Arbeitsintensität
- Einkommen
- Betriebliche Sozialleistungen
- Beschäftigungssicherheit
DGB-Index Gute Arbeit für 2018
Der DGB-Index Gute Arbeit 2018 sind 63 Punkte und liegt somit im unteren Mittelwert des Indexes. Bei Betrachtung der 11 Einzelwerte fallen nur wenige Werte durch stärkere Abweichung vom Gesamtindexwert auf:
- Sinn der Arbeit mit 80 Punkten
- Arbeitszeitlage mit 76 Punkten
- Arbeitsintensität mit 49 Punkten
- Einkommen mit 49 Punkten
- Beschäftigungssicherheit mit 75 Punkten
Interpretation ausgewählter Indexwerte
Sinn der Arbeit
Lediglich beim Kriterium „Sinn der Arbeit“ wird ein Punktwert erreicht, der dem Bereich „Gute Arbeit“ zugeordnet wird. In allen übrigen Kriterien kann zumindest nach dem DGB-Index nicht mehr von guter Arbeit gesprochen werden, sondern nur von niedrigeren Abstufungen. Der Index beschränkt sich auf diese drei Fragen bei der Erhebung:
- Haben Sie den Eindruck, dass Sie mit Ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten?
- Haben Sie den Eindruck, dass Sie durch Ihre Arbeit einen wichtigen Beitrag für Ihren Betrieb leisten?
- Inwieweit identifizieren Sie sich mit Ihrer Arbeit?
Bei dem relativ hohen Wert im Index kann man den Eindruck bekommen, dass es bei den deutschen Arbeitnehmern mit dem Empfinden von Sinn bei der Arbeit recht gut bestellt sei. Allerdings ist gerade bei der Sinnfrage wenig Objektivität möglich.
Arbeitszeiten
Wenn es um die Arbeitszeitlage der deutschen Mitarbeiter geht, wird im Index der zweithöchste Wert von 76 Punkten ausgewiesen. Die Arbeitszeit trägt mit seinem hohen Indexwert ebenfalls als Ausreißer vom Mittelwert zu einer empfundenen hohen Arbeitsqualität der Beschäftigten bei. Der Index erfragt sich den Wert hier wie folgt:
- Wie häufig arbeiten Sie an Wochenenden?
- Wie häufig arbeiten Sie abends in der Zeit zwischen 18:00 und 23:00 Uhr?
- Wie häufig arbeiten Sie nachts, in der Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr?
- Wie häufig wird von Ihnen erwartet, dass Sie außerhalb Ihrer normalen Arbeitszeit, z.B. per E-Mail oder per Telefon, für Ihre Arbeit erreichbar sind?
- Wie häufig erledigen Sie außerhalb Ihrer normalen Arbeitszeit unbezahlte Arbeit für Ihren Betrieb?
Die Angemessenheit des Umfangs oder die Flexibilität bei der Einteilung der Arbeitszeit wird hier nicht gefragt. Eine Verzerrung in der Aussagekraft des Indexes kann es hier geben, wenn Mitarbeiter besonders gerne am Abend, in der Nacht oder am Wochenende arbeiten.
Arbeitsintensität
Zusammen mit dem Kriterium „Einkommen“ hat „Arbeitsintensität“ den niedrigsten Index-Teilwert mit 49 Punkten, zählt somit er auf der Skala zu „schlechter Arbeit“ und verdient dadurch seine besondere Beachtung. Stark vereinfacht ausgedrückt hat der deutsche Arbeitnehmer in wenig Zeit viel zu leisten.
- Wie häufig fühlen Sie sich bei der Arbeit gehetzt oder stehen unter Zeitdruck?
- Wie häufig kommt es vor, dass Sie bei Ihrer Arbeit gestört oder unterbrochen werden, z.B. durch technische Probleme, Telefonate oder Kollegen?
- Wie häufig werden bei der Arbeit verschiedene Anforderungen an Sie gestellt, die schwer miteinander zu vereinbaren sind?
- Wie häufig kommt es bei der Arbeit vor, dass sie nicht alle Informationen erhalten, die Sie brauchen, um Ihre Arbeit gut zu erledigen?
- Wie häufig kommt es vor, dass Sie Abstriche bei der Qualität Ihrer Arbeit machen müssen, um Ihr Arbeitspensum zu schaffen?
Das Kriterium „Arbeitsintensität“ lässt nicht unbedingt den Schluss zu, dass eine hohe Arbeitsintensität zu schlechter Arbeitsqualität führt. Die verwendeten Fragen implizieren dies jedoch. Für mich stehen die Fragen nicht in einem direkten Zusammenhang zur Arbeitsintensität. Diese ist zunächst einmal eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, die die Arbeitsleistung ins Verhältnis mit der Arbeitszeit setzt. Viel in kurzer Zeit zu erreichen, produktiv zu sein, kann durchaus motivieren – sofern es nicht zur persönlichen Überforderung kommt. Selbst im Zustand des Flow könnte man von einer hohen Arbeitsintensität sprechen – und dieser Zustand wird bei der Arbeit positiv bewertet.
Einkommen
Das Einkommen bekommt im Index ebenfalls den niedrigsten Wert mit 49 Punkten. Eine zentrale Frage in der Erhebung ist: Wenn Sie an Ihre Arbeitsleistung denken, inwieweit halten Sie Ihr Einkommen für angemessen?
Bei diesem Kriterium wäre sicherlich interessant, mit was Mitarbeiter ihr Einkommen ins Verhältnis setzen, um eine Angemessenheit zu beurteilen. Mit dem Verdienst ihrer Vorgesetzten, Kollegen, anderer Unternehmen oder Branchen? Mit ihrer messbaren, bestätigten Leistung oder ihrem empfundenen Beitrag? Mit wirtschaftlicher Leistung oder dem sozialen Wert ihres Wirkens?
Beschäftigungssicherheit
Die Beschäftigungssicherheit sticht mit ihren 75 Index-Punkten positiv hervor. Man könnte verleitet sein, dass die Arbeitgeber dem in Deutschland recht stark ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis relativ gut gerecht werden. Doch ein Blick auf die hinter dem Kriterium liegenden Fragen lohnt sich:
- Machen Sie sich Sorgen, dass Ihr Arbeitsplatz überflüssig wird, z.B. durch organisatorische Veränderungen oder neue Technologien?
- Kommt es vor, dass Sie sich Sorgen um Ihre berufliche Zukunft machen?
- Kommt es vor, dass Sie sich Sorgen machen, Ihren Arbeitsplatz zu verlieren?
In jeder Frage wird lediglich das subjektive Empfinden der Arbeitnehmer abgefragt und mit dem Wort „Sorgen“ umso emotionaler verleitet. Trendstudien zur Veränderung der Arbeitswelt (Stichworte sind Digitalisierung, demografischer Wandel) zeigen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich deutlich mehr mit anstehenden Veränderungen auseinandersetzen sollten, als sie das aufgrund einer „gefühlten Notwendigkeit“ tun. Dann wäre dieser Index-Wert sicher deutlich niedriger.
Wie steht es wirklich um gute Arbeit in Deutschland?
Nachdem ich die Möglichkeit genutzt habe, meinen persönlichen Gute-Arbeit-Indexwert errechnen zu lassen, bin ich überrascht vom Ergebnis. Sollte ich die Qualität meiner Arbeit frei mit einem Punktwert zwischen 0 und 100 bewerten, würde ich sagen, er liegt bei 90. Beantworte ich die 42 Fragen zu meinem persönlichen Index im Selbsttest, komme ich auf allerdings auf nur 61 Punkte. Wie kommt es zu dieser starken Abweichung?
Zum einen müssen die gestellten Fragen nicht unbedingt die für einen Beschäftigten relevanten darstellen. Und wie wir schon an den Fragen zur Arbeitszeitlage gesehen haben, sind die Antworten nicht unbedingt eine eindeutige Bewertung der Umstände. Arbeitnehmer mancher Berufsbilder müssen atypisch antworten oder sehen in einer atypischen Antwort keine negative Wertung, sondern eine subjektiv gute.
Eine wesentliche Einschränkung in der Aussagekraft des DGB-Index Gute Arbeit sehe ich in der Gewichtung der Kriterien bzw. Teil-Indexe. Für manch Arbeitnehmer mögen die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Arbeitsqualität eine wesentliche Rolle spielen, für andere hingegen die Arbeitszeiten, für Dritte wiederum das Einkommen. Und wie wir vielleicht aus eigener Erfahrung bereits wissen, kann uns schon ein kritischer Punkt die Arbeitsqualität deutlich heruntersetzen, auch wenn viele andere Faktoren von uns als positiv zu betrachten wären.